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Mach Dich locker!!

Punkt 2 der Ausbildungsskala: die Losgelassenheit.

Eine losgelassene, gelungene Vorstellung“: Gerne setze ich diese Bewertung unter das Protokoll einer harmonischen Dressurprüfung, die dann ja auch entsprechende Noten erhalten hat.

Beim Richten von Dressurprüfungen wird den Richtern oft vorgeworfen, dass sie „nur Lektionen richten“ und zu wenig auf Harmonie und Losgelassenheit von Pferd und Reiter achten würden. Einspruch! Vielmehr ist es umgekehrt – man  bekommt sehr oft nur „Lektionsreiten“ gezeigt. Gewinnen muss dann immer noch der beste Ritt, meist spiegelt sich das auch in den entsprechend (schlechten) niedrigen Noten wieder.

Das Gelingen der Lektionen ist natürlich eine wichtige Voraussetzung für gute Bewertungen. Dies widerspricht sich aber nicht, denn es ist um ein Vielfaches leichter mit einem losgelassenen (und mitarbeitenden) Pferd korrekte Lektionen und Übergänge zu zeigen.

Relax – just do it!

Wichtig für das gute Gelingen von Dressurprüfungen und harmonische Reiten des Pferdes in jeder Reitweise ist entsprechend unserer Ausbildungsskala „innere“ und „äußere“ Losgelassenheit. Heute würde man den Begriff wohl gerne durch „relaxed“ ersetzen. Vereinfacht: Mach dich locker!

Dass die Losgelassenheit in der Ausbildungsskala gleich an zweiter Stelle nach dem Takt steht, kommt nicht von ungefähr. Sie wird jedoch gerne stiefmütterlich nach dem Motto „Ist eh vorhanden!“ betrachtet. Es steckt jedoch vielmehr dahinter. Denn in Losgelassenheit steckt WDH auch das Wort loslassen drin. Das ist das Gegenteil von Klemmen und Klammern.

Äußere Losgelassenheit, also dass das Pferd nicht scheut und sich verspannt hängt auch mit der innerlichen körperlichen Losgelassenheit zusammen. Das Pferd muss sich entspannen, muss seine Muskeln im Wechsel an- und abspannen, um richtig arbeiten zu können.

Das Schwingen des Rückens setzt Losgelassenheit voraus! Schub- und Tragkraft können nur entwickelt werden, wenn das Pferd bereit zur Mitarbeit ist loslässt. Verspannte Muskeln können niemals maximale Effektivität erreichen. Losgelassen können die Lektionen gut gelingen und erhalten auch jenen geschmeidigen Ausdruck, der die hohen Noten rechtfertigt. Eine erzwungene, festgehaltene Vorstellung wirkt jedoch immer mühsam und damit unschön. Das kann jeder Zuschauer, egal ob er Ahnung von der Dressur hat oder nicht, sehr unterscheiden – man muss ja auch nicht Koch sein, um zu entscheiden, ob ein Essen schmeckt.

Die Losgelassenheit wirkt sich zudem auf die gesamte Ausbildungsskala aus. Der Takt des Pferdes in allen Grundgangarten wird unmittelbar von Verspannungen beeinträchtigt: Im Schritt neigen spannige Pferde zum Zackeln und passartigen Verschiebungen des korrekten Viertaktes, im Trab zu ungleichem Unterfußen in der Hinterhand, meist zuerst in Wendungen und Verstärkungen sichtbar, sowie zu Schwebetritten. Im Galopp kommt es zu festgehaltenen, kurzen Sprüngen mit hoher Kruppe und ohne Bodengewinn. Die Verbesserung dieser Beeinträchtigungen im Takt kann auf Dauer nur im Einklang mit der Verbesserung der Losgelassenheit erfolgen.

Positive Körperspannung aufbauen

Eine feine Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul ergibt sich aus einem schwingenden Pferderücken und der Dehnungsbereitschaft des Pferdes ans Gebiss sowie Kautätigkeit und damit Losgelassenheit im Zungen- und Genickbereich. Die Schwungentfaltung, Grundschwung im Trab und Galopp sowie in den Verstärkungen, die leider oft in strampelnden, eiligen Tritten und Sprüngen praktiziert werden, gewinnt an Elastizität und Ausdruck durch das Durchschwingen der Hinterhand und Weiterleiten dieses Schubs bis in den Schulterbereich.

Durch das vermehrte Untertreten entsteht Schulterfreiheit, die es dem Pferd erlaubt raumgreifende Bewegungen zu zeigen und den Reiter gut sitzen zu lassen. Natürlich wird auch bei einem losgelassenen Pferd mehr positive Körperspannung aufgebaut, um den Schwung nach vorne zu erhalten, dies jedoch bei locker an- und abspannender Muskulatur. So sind auch Dressurprüfungen aufgebaut: schwungvolles Vorwärts im Wechsel mit rahmenerweiterten und dehnenden Abschnitten wie den Mittel- und Starken Schritt sowie Zügel aus der Hand kauen lassen.

So sollte auch das Training aufgebaut sein, um die Zufriedenheit des Pferdes bei der Mitarbeit sicherzustellen. Eine dauerhafte Geraderichtung, wobei Vor- und Hinterhand hufschlagdeckend gerade fußen, kann nur vom losgelassen Pferd sicher erlernt werden. In der Biegung muss die Muskulatur im Schulter-, Rumpf- und Hüftbereich loslassen, um den gebogenen Linien folgen zu können.

Das Pferd muss dem Reiter vertrauen

Wie erreicht man nun Losgelassenheit? Bei der Ausbildung der Remonte ist sie das erklärte Ziel jeder Trainingseinheit. Das Pferd soll in die Losgelassenheit finden. Hierzu gehört, dass es dem Reiter Vertrauen schenkt und sich von ihm reiten und dirigieren lässt –was bei einem unerfahrenen jungen Pferd einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Es muss seine erste Anspannung nach dem Anreiten ablegen und merken, dass ihm nichts passiert und es bei richtiger Reaktion auf die geduldig formenden Reiterhilfen stets durch Nachgeben und Pausen belohnt wird. Dies gibt ihm ein Grundvertrauen, auf dem man die weitere Ausbildung aufbauen kann.

Äußere Einflüsse wie etwa Unruhe in der Reitbahn können die Losgelassenheit des Pferdes ins Gegenteil, also in Anspannung, versetzen. Auch hier gilt es durch Ruhe und Geduld das Vertrauen zu erlangen und zu festigen.

Wie sieht Losgelassenheit nun aus?

Äußere Anzeichen für die Losgelassenheit sind ein entspannter Gesichtsausdruck, keine rollenden Augen, bei denen man das Weiße sehen kann, sowie Ohrenspiel, wobei sich die Ohren immer wieder aufmerksam und aufgestellt Richtung Reiter richten. Das Maul kaut ohne Aufsperren zufrieden und nicht übertrieben auf dem Gebiss. Leichter weißer Schaum bildet sich, wobei dieser auch bei Anspannung entstehen kann, also alleine noch kein ausreichender Hinweis ist.

Der Rücken schwingt gleichmäßig und federnd auf und ab, ersichtlich an der sich gleichmäßig wechselseitig hebenden Kruppe und einem getragenen, pendelnden Schweif. Junge Pferde brauchen oft etwas bis sie genügend ausbalanciert sind und ihren Schweif locker tragen können. Und eigentlich spürt man es als aufmerksamer und elastisch auf die Bewegung eingehender Reiter, wenn sich das Pferd entspannt und dann meist tief abschnaubt. Man kommt zum Sitzen und Treiben, das Pferd läuft nicht unter dem Reiter davon sondern bleibt willig vor einem. Durchlässigkeit auf die Hilfen ist gegeben.

Wie wird das Pferd losgelassen?

Als Hilfsmittel zur Erlangung der Losgelassenheit können Stangen, Cavaletti oder das Ablongieren eingesetzt werden. Unter dem Sattel wird darauf geachtet, die Bewegungen des Pferdes taktmäßig, nicht übereilt, sondern schwingend über den Rücken zu formen. Es soll sich willig in die Anlehnung dehnen. Die Selbsthaltung des Pferdes, sich selbst entweder abwärts gedehnt oder später in Aufrichtung in der Halsung zu tragen und nicht auf die Reiterhand zu stützen, muss erarbeitet werden.

Das Pferd sollte jederzeit, dem nachgebenden Zügel folgend nach vorwärts-abwärts ans Gebiss herantreten. Auch in höchster Versammlung und Aufrichtung sollte das Leichterwerden der Reiterhand stets mit einem zufriedenen Fallenlassen in der Halsung beantwortet werden. Wenige Zentimeter reichen hier aus, um genügend Rahmenerweiterung in der Halsung und eine getragene, im Laufe des Trainings immer ausdrucksvoller werdende Halsmuskulatur mit freien Ganaschen aufzubauen.

In Traversalen beispielsweise ist die Selbsthaltung und Balance des Pferdes bei genügend Rahmen in der Halsung der Garant für taktmäßige Tritte und gute Schulterfreiheit mit ausdrucksvollem Kreuzen der Beine. Engmachen und Festhalten lassen diese Lektion immer gezwungen und mühsam wirken, oft bei deutlichem Taktverlust.

Die Reitereinwirkung

Der Sitz des Reiters ist ein wichtiger Bestandteil zum Erreichen der Losgelassenheit. Er muss unabhängig und elastisch auf den Gesäßknochen zum Sitzen und Mitschwingen in der Mittelpositur kommen, die Zügelführung und Handhaltung unabhängig vom Sitz.

Der Reiter hält sich nicht am Zügel fest, sondern folgt elastisch aus dem Handgelenk den Bewegungen des Pferdehalses. Generell ist auch das Loslassen des Reiters (sowohl im Sitz durch Elastizität in der Mittelpositur und den Armen als auch das mentale Loslassen und Entspannen) wichtig. Ein ständig mit Druck einwirkender und fordernder Reiter stresst das Pferd und lässt es nicht entspannen.

Pferde sind sehr sensibel auf Anspannung ihres Reiters oder generell im Umgang mit dem Menschen. Pausen in Dehnungshaltung und das richtige Dosieren im Training sowie Loben sind wichtig! Eine Lektion, die zigmal mit immer mehr Druck wiederholt wird, weil sie nicht klappt, löst beim Pferd eher Abneigung und beim nächsten Mal Verspannen bereits bei Beginn dieser Lektion aus, als dass Lern- oder Trainingserfolge verbucht werden können. Hier ist stets die Basis zu verbessern, beispielsweise die Galoppade oder Übergänge bevor man einen erneuten Versuch startet. Auch die Aufspaltung der Lektion in Einzelteile, die vom Pferd bereits gut ausgeführt werden können, ist sinnvoll.

Das Pferd muss langsam aufgebaut und in seinem Selbstvertrauen gestärkt werden, damit es zu dem ausdrucksvollen Sportler heranwachsen kann, den wir uns alle wünschen. Der Reiter muss hierzu selbst immer wieder in eine entspannte, geduldige und losgelassene Haltung finden, in seinem Kopf und in seinem Sitz. Auf längere Zeit gesehen, spart das sogar Zeit in der Ausbildung, denn wenn die Basis passt, lernt das Pferd viel leichter und schneller.

Oft kann man gravierende Fehler sehr ehrgeiziger Reiter am Abreiteplatz beobachten, die ihr Pferd bereits vor der Prüfung verunsichern und das sichere Gelingen von Problemlektionen in der Prüfung unmöglich machen. Wahrscheinlich geht es zu Hause auch nicht harmonischer zu. Der richtige Einsatz des Pferdes entsprechend seiner momentanen Möglichkeiten ohne Überforderung gehört ebenfalls zur Erhaltung der Losgelassenheit des Reitpferdes, egal ob auf dem Turnier zu Hause.

Die Durchlässigkeit

Es sollte stets darauf geachtet werden, dass Tempi und Lektionen vom Pferd mit Leichtigkeit erfüllt werden und der Reiter stets dezente und feine Hilfen geben kann – ein wichtiger Bestandteil der Grundausbildung. Oft hat man in Deutschland das Gefühl, gutes Reiten ist nur etwas wert, wenn man sich besonders körperlich anstrengt. Den Reitern steht der Schweiß auf der Stirn, sie drücken, klemmen und ziehen nach Leibeskräften.

In anderen Reitweisen, wie beispielsweise Westernreiten oder den iberischen Reitweisen, steht die selbstständige Mitarbeit des Pferdes bei dezentem Einwirken des Reiters im Mittelpunkt der Ausbildung. Oft wechseln Reiter die Disziplin, weil sie leichtrittigere Pferde mit weniger anstrengender Einwirkung bevorzugen.

Aber ist das schlechter? Nein, im Gegenteil, das sollte auch das Ziel der klassischen Dressur- und Turnierreiterei sein. Um so mehr der Reiter darauf achtet, dass sein Pferd wirklich leicht an den Zügeln steht, die Anlehnung ständig sucht und kaum Muskelkraft in den Schenkeln sondern nur weiches Mitschwingen in der Bewegung für seine Vorwärtsaktion benötigt, um so schöner und ausdrucksvoller wird es sich bewegen.

Die Durchlässigkeit steht im Vordergrund. Durchlässigkeit ist sowohl für das Annehmen der abfangenden halben Paraden bei gutem Vorwärtsdrang als auch für das Umsetzen der vortreibenden Hilfen bei eher verhaltenen Pferden wichtig. Das Erlernen von schweren Lektionen in jeder Reitweise ist mit entsprechender Durchlässigkeit leichter oder überhaupt erst möglich. Die Balance und das Aufnehmen der Last in der Hinterhand bei relativer Aufrichtung fällt dem Pferd im Laufe der korrekten Ausbildung immer leichter. Es bewegt sich eleganter und mit mehr Fleiß in der Hinterhand.

Dies wird in der Dressurprüfung honoriert und macht ein Reitpferd rittig als auch zufrieden mit sich und seinem Reiter. Kurz: Es gibt eine gelungene Vorstellung.

 

 

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