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Wie kann man die Rückentätigkeit durch den Reitersitz positiv beeinflussen?

Auszug aus meinem Buch „Über den Rücken reiten“ mit CoAutor Jochen Lill, das derzeit als Weihnachtsaktion hier im Shop günstiger angeboten wird!!!!

Nur aus einem korrekten Sitz können korrekte Hilfen gegeben werden, ist eine alte Reiterweisheit. Bei einem Pferd mit Rückenproblemen ist der Reitersitz und vor allem das Mitschwingen des Reiters von besonderer Wichtigkeit. Oft ist eine starre Mittelpositur des Reiters der Ursprung der Blockaden am Pferderücken. Aber auch wenn die Rückenprobleme eine andere Ursache – wie bereits besprochen –  haben, ist das rückenschonende Reiten von besonderer Wichtigkeit. Dazu ist in erster Linie eine korrekte Sitzpositur notwendig:

In der Mittelpositur bergauf

Die Mittelpositur des Reiters wird der Bereich zwischen Taille und Mitte der Oberschenkel benannt. Dieser ist der unmittelbar auf dem Pferderücken aufliegende und mitschwingende Bereich des Reitersitzes. Der Reiter sollte so sitzen, dass es dem Pferd möglich ist, seinen Rücken durch das Untertreten der Hinterbeine anzuheben und „über den Rücken zu gehen“, d.h. die Brückenkonstruktion des Rückens anzuheben. Dies ist nur möglich, wenn die Hüfte des Reiters losgelassen schräg nach vorne positioniert wird. In der Reitersprache nennt man dies bergauf. Gibt der Reiter dann elastisch im Hüftgelenk nach und lässt das Schwingen des Pferderückens zu, ja unterstützt es sogar, ist das Pferd in der Lage seinen Rücken zum Auf- und Abfedern zu bringen, die Voraussetzung um loszulassen und sich in der Halsung fallen zu lassen. Die Hüftelastizität ist allerdings meist nicht ausreichend gegeben. Achten Sie auf die Reaktionen Ihres Pferdes. Wenn es anfängt weich zu schwingen und Sie in den den Sattel zu ziehen, sodaß Sie jede seiner Bewegungen weich aussitzen können, geht es über den Rücken. Dies gilt für alle Gangarten.

Die richtige Gewichtsverlagerung im Sattel

Das Gewicht des Reiters sollte auf den Gesäßknochen im Schwerpunkt des Sattels ruhen. Lehnen Sie sich zu weit nach vorne, kommen Sie zu sehr auf den Spalt und belasten zu sehr die Schulter Ihres Pferdes. Dies kann übrigens auch durch zuviel Druck in die Steigbügel geschehen. Dieser Druck wird dann über die Sturzfeder direkt auf das Kopfeisen des Sattels umgeleitet und verändert die Druckverhältnisse des Sattels. Ein an sich gut passender Sattel drückt plötzlich am Widerrist. Wie gesagt, das Gewicht sollte ausschließlich auf den Gesäßknochen ruhen und Ihre Beine locker an den Pferdeseiten herunterhängen. Im Steigbügel wird lediglich das Eigengewicht Ihrer Füße abgefedert. Reiten ohne Steigbügel hilft die Sitzposition zu verbessern. Zur Übung sollten Sie einmal ohne Steigbügel traben und galoppieren und dabei die Fußspitzen statt die Hacken nach unten hängen lassen. Ein ungewöhnliches Gefühl. Aber Sie werden bemerken, dass sich durch diese Haltung Ihr gesamtes Bein aus der Hüfte lockert und jedes Klemmen im Knie und Oberschenkelbereich verschwindet. Dann nehmen Sie die Fersen tief und behalten diese losgelassene Beinhaltung bei.

Im Schritt

Im Mittelschritt soll das Pferd im gedehnten Rahmen fleißig vorwärts schreiten. Der Sitz des Reiters schwingt in der Mittelpositur in der Bewegung mit. Die Hüfte des Reiters lässt sich von der Bewegung des Pferdes zwischen den ruhig getragenen Armen weit nach vorne und zurück mitzunehmen. Das Mitschwingen sollte weich und fließend erfolgen. Eine stoßende Einwirkung gegen die Bewegung muss auf jedem Fall vermieden werden. Im Extremfall führt sie zu passartigem Gehen des Pferdes. Reiten Sie Ihr Pferd im ausgedehnten Mittelschritt im Gelände. Hier schreiten die meisten Pferde losgelassen vorwärts und Sie können gut auf die Bewegung eingehen.
Das Treiben der Schenkel erfolgt im Schritt abwechselnd rechts und links. Der treibende Schenkel sollte stets im Rhythmus der jeweiligen abfußenden Hinterhand eingesetzt werden. Wenn der rechte Hinterfuß abfußt sollte Ihr rechter Schenkel zum Treiben kommen, wenn der linke abfußt, sollte Ihr linker Schenkel treiben. Anfangs können Sie auf die Schulter Ihres Pferdes spicken, um die Fußfolge von oben zu erkennen. Wenn der rechte Vorderfuss am Boden ist, also die Schulter zurück schwingt, fußt unmittelbar darauf der gleichseitige rechte Hinterfuß ab. Dies ist der Moment zu treiben. Bei einem gut schreitenden Pferd gibt es einen einfachen Trick um im richten Moment zu treiben: Lassen Sie Ihre Schenkel einfach rechts und links locker am Pferdekörper herunter hängen und gehen Sie im Hüftbereich in der Bewegung mit. Ihre Beine werden von ganz alleine rechts und links an den Pferdekörper hinpendeln. Dies geschieht durch die Bewegung des Pferdebauches, das Zusammenziehen und Dehnen, wenn die Beinpaare zusammen und auseinander fußen. So kommen Sie am leichtesten in den Takt der Schrittbewegung. Jedes Treiben gegen die Bewegung unterstützt die Vorwärtsbewegung Ihres Pferdes nicht, sondern stört den Takt
Auch Ihre Hände und Arme sollten im Takt der Bewegung mitgehen. Beim korrekten Schreiten entwickelt das Pferd eine Nickbewegung, die erwünscht ist und vom Reiter heraus gelassen werden soll. Seine Arme sollten deshalb der Halsbewegung nach vorne nachfolgen. Hierzu ist es wichtig, im Schulterbereich unabhängig vom Oberkörper zu bleiben, den Oberarm gelöst am Körper zu halten und im Ellbogen weich mitzugehen.
Der Hals Ihres Pferdes sollte lang gedehnt und keinesfalls eng aufgerollt sein. Allerdings ist es auch nicht vorteilhaft, wenn das Pferd seinen Unterhals anspannt und sich in Hals und Rücken wegdrückt. In diesem Fall wird der Rücken des Pferdes in den Dornfortsätzen zusammengedrückt. Für ein Pferd mit Rückenproblemen ist dies äußerst ungünstig. Das Pferd sollte also auch im Schritt mit runder Oberhalsmuskulatur, aber gleichzeitiger Halsdehnung geritten werden.

Im Trab

Im Trab ist es ungleich schwieriger rückenschonend in der Bewegung zu sitzen. In der ersten Zeit der Therapie sollten Sie ausschließlich leichttraben. Sie sollten auf den Rhythmus des Trabes beachten Viele Reiter belasten den Pferderücken beim Aufstehen und Hinsetzen unterschiedlich. Meist belasten sie beim Hinsetzen mehr mit ihrem Gewicht als beim Aufstehen. Hierdurch kann ein ungleiches Abfußen in der Hinterhand entstehen. Ist der Takt in der Hinterhand bereits ungleich, verbessert er sich auf diese Weise nicht, sondern wird sogar noch negativ gefördert. Sie müssen beim Aufstehen und Hinsetzen jeweils gleich viel Schwung entwickeln und die Hinterhand in gleichmäßigem Takt halten, wie ein Metronom. Lassen Sie sich hierbei von unten helfen. Der Takt des Leichttrabens sollte absolut im Gleichmaß ablaufen..
Ein weiteres Taktproblem kann durch den stets einseitigen Gebrauch der Reitgerte entstehen. Besonders wenn dabei schwerere Lektionen wie Seitengängen oder Piaffe und Passage trainiert werden, aber auch schon beim einfachen Herumtraben. Sind Sie Rechtshänder? Halten Sie Ihre Gerte stets in der rechten Hand? Fußt Ihr Pferd – vom Boden aus betrachtet – mit dem rechten Hinterbein mehr ab? Durch das einseitige Touchieren mit der Gerte wird natürlich stets auch nur dieses Bein mehr aktiviert. Um hier ein beidseitig gleichmäßiges Unterfußen zu erreichen, müssen Sie die Gerte stets wechseln. Sie können das bei jedem Handwechsel tun und die Gerte stets innen halten. Sie können aber auch täglich oder wöchentlich wechseln. Und sagen Sie nicht, Sie können die Gerte mit der linken Hand nicht einsetzen. Sie können das auf jeden Fall lernen. Wie beim Klavierspielen und ähnlichen Tätigkeiten ist es auch beim Reiten wichtig mit beiden Händen gleich agieren zu können. Auch für die Anlehnung ist das extrem wichtig. Hierzu aber später noch genauer.
Der Gerteneinsatz sollte stets dezent bleiben und immer nur eine Verstärkung der Schenkelhilfen darstellen. Mit der Gerte vorwärts zu treiben ohne dabei die Schenkel einzusetzen, macht Ihr Pferd unwillig und führt zu einer hohen Kruppe und Klemmen, wie man umgangssprachlich den Entzug des Vorwärtsdranges nennt. Die vortreibenden Hilfen müssen vorrangig mit dem Sitz und den Schenkeln durchkommen. Die Gerte hilft nur die Hinterhand energischer vom Boden abfußen zu lassen oder Ihr Pferd wieder aufmerksam auf den treibenden Schenkel machen. Bei starken Rückenproblemen ist es aber stets wichtiger, dass das Pferd auf die vortreibenden Kreuzhilfen reagiert. Meist ist es durch die feste Rückenmuskulatur auf die Einwirkung der Kreuzhilfe des Reiters völlig abgestumpft. In mühevoller Kleinarbeit muss das Pferd dazu gebracht werden, auf energischeres Mitschwingen oder Aufstehen bei gleichzeitigem Schenkeltreiben mit Vorwärtsschub zu reagieren. Die Hilfen hierzu müssen fließend und elastisch ans Pferd gebracht werden. Keinesfalls dürfen Sie das Pferd durch hartes Einsitzen, Puffen und Klopfen zum Vorwärts bringen. Dies veranlasst es zum Festhalten und Verspannen des Rücken..
Beim Aussitzen müssen Sie vor allem auf geschmeidiges Mitschwingen achten. Das Vorwärtstreiben erfolgt auch hier über die Elastizität in der Hüfte und über den im Rhythmus fein einwirkenden Schenkel. Sie sollten stets nur für kurze Zeit aussitzen und dann wieder leichttraben, um den Rücken des Pferdes nicht zu sehr zu belasten. Beim Aussitzen reiten Sie zuerst im etwas untertourigen, eher langsamen Tempo um gut in die Bewegung eingehen zu können. Zuerst müssen Ihr Rücken und der Rücken des Pferdes zusammen zum Schwingen kommen. Erst dann aktivieren Sie die Hinterhand mehr und steigern die Energie der Bewegung. Achten Sie auf Ihren Bauch und Ihre Hüfte: Ihr Unterbauch sollte sich federnd auf und ab bewegen. Stellen Sie sich vor, dass Sie den Schub der Hinterhand in der Hüfte auffangen und wie einen Eimer Wasser weiter nach vorne zur Schulter geben. Die Hüfte sollte den Schub stets nach vorne weiterleiten und durchlassen und niemals nach hinten heraus schwingen. Hierzu benötigen Sie Elastizität und Beweglichkeit in der Taille, Hüfte und dem Becken. Sollte diese nicht ausreichend vorhanden sein, wäre es ratsam an begleitende Reitergymnastik zu denken. Täglich 10 Minuten Dehnungsübungen können Sie sehr gut unterstützen bis das Reiten ausreicht, um Ihre Elastizität zu erhalten.
Das Loslassen der Halsung und Nachgeben um Genick sind natürlich auch im Trab unerlässlich um dem Pferd das Aufmachen des Rückens zu ermöglichen. Halten Sie das Pferd nicht ständig am Maul fest. Stellen Sie es mit beiden Händen nach unten durch und lassen Sie es dann los in die Dehnungshaltung. Zur Anlehnung aber später..

Im Galopp

Im Galopp kommt es wie in allen Gangarten vor allem auf die Elastizität der Mittelpositur des Reiters an. Sie sollten geschmeidig in der Bewegung mitschwingen. Ihr Oberkörper wird mit positiver Körperspannung aufgerichtet. Lassen Sie Ihren Hüft- und Beckenbereich los, so dass er von der Rückenmuskulatur des Pferdes mitgenommen werden kann. Das Mitgehen in der Bewegung erfolgt nicht aktiv durch Anschieben, sondern durch passives losgelassenes Sich-Mitnehmen-Lassen. Aber auch das müssen Sie in der Mittelpositur zulassen und unterstützen. Ihre Schenkel liegen wie beim Angaloppieren innen am Gurt und außen eine Handbreit hinter dem Gurt. Achten Sie darauf, dass der äußere Schenkel nicht im Unterschenkel hochgezogen wird, sondern lang und tief aus der Hüfte heraus zurückgenommen wird. Es ist hierbei nicht so wichtig, wie weit Ihr Schenkel hinten liegt, sondern wie kompakt er die Außenseite des Pferdes einrahmt und verwahrt. Achten Sie darauf, Ihren äußeren Schenkel im Kniebereich zu lockern und dadurch Ihren Unterschenkel gut an das Pferd heran zu schließen. Denken Sie an einen Winkel von Ober- und Unterschenkel, den Sie an das Pferd heran ziehen. Der innere Schenkel treibt bei jedem Galoppsprung impulsartig vorwärts. Ist Ihr Pferd im Durchsprung etwas träge, sollten Sie auch den äußeren Schenkel im Takt zum Treiben einsetzen, denn dieser regt direkt den Durchsprung des äußeren hinteren Pferdebeines an und ein beidseitiges weites Vorspringen ist nur möglich, wenn beide Hinterbeine weit vorspringen. Die verwahrende Position des äußeren Schenkels bedeutet nicht, dass er untätig sein soll.
Die Anlehnung sollte dynamisch zur Bewegung nach vorne erfolgen. Bei vielen Reitern kann man im Galopp beobachten, dass sie im Moment des Vorschwingens mit ihren Händen zurück wirken. Dies ist meist ein uraltes antrainiertes Bewegungsmuster aus Anfängerzeiten, in denen man das Pferd im Galopp noch „Bremsen“ wollte, damit es nicht so schnell wird. Jedenfalls ist es Unsinn den Vorwärtsschub aus Kreuz und Schenkel mit der Hand gleichzeitig wieder abzufangen. Gewöhnen Sie sich an, Ihre Hände mit dem Vorschwingen der Hüfte nach vorne nachzugeben.
Idealerweise sollten Sie bei einem rückenempfindlichen Pferd auch immer wieder überstreichen und nachgeben, um die Losgelassenheit zu fördern. Viele Pferde haben die Angewohnheit, sich im Galopp auf die Reiterhand zu lehnen. Nimmt man ihnen die Stütze weg oder kommen sie korrekterweise zum Loslassen in der Halsung, fallen sie sogar unvermittelt aus, weil sie das freie Tragen und Ausbalancieren  der Halsung nicht gewohnt sind. Stören Sie sich daran nicht, treiben Sie das Pferd immer wieder locker durch, es wird sich schnell an die leichtere Verbindung und die bessere Balance gewöhnen.

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