Gelungene Vorstellung!
Artikel Bayerns Pferde Zucht & Sport 2012
Gerne setze ich diesen Ausdruck unter das Protokoll einer harmonischen Dressurprüfung, die dann ja auch entsprechende Noten erhalten hat. Beim Richten von Dressurprüfungen wird den Richtern heute oft vorgeworfen, dass sie nur Lektionen richten und zu wenig auf Harmonie und Losgelassenheit von Pferd und Reiter achten. Mit dieser Meinung gehe ich nicht konform. Leider bekommt man sehr oft „nur Lektionsreiten“ gezeigt. Gewinnen muss dann immer noch der beste Ritt, meist spiegelt sich das auch in den entsprechend tieferen Noten nieder. Das Gelingen der Lektionen ist natürlich auch eine wichtige Voraussetzung für gute Noten. Dies widerspricht sich aber nicht, denn es ist um ein vielfaches leichter mit einem losgelassenen und mitarbeitenden Pferd korrekte Lektionen und Übergänge zu zeigen.
Wichtig für das gute Gelingen von Dressurprüfungen, Dressurreiten zur eigenen Freude in der Freizeit und harmonisches Reiten des Pferdes in jeder Reitweise ist entsprechend unser Ausbildungsskala und der Meinung alter Meister innere und äußere Losgelassenheit. Heute würde man den Begriff wohl gerne mit dem Anglizismus Relaxed ersetzen. Dass diese in der Ausbildungsskala gleich zu Beginn hinter dem Takt steht, ist nicht von ungefähr. Sie wird gerne stiefmütterlich nach dem Motto „ist eh vorhanden“ betrachtet. Es steckt aber vielmehr dahinter. Äußere Losgelassenheit, dass das Pferd nicht scheut und sich kuckig verspannt hängt auch mit der innerlichen körperlichen Losgelassenheit zusammen. Das Pferd muss sich innerlich fallenlassen, muss seine Muskeln im Wechsel an- und abspannen um richtig mitarbeiten zu können. Das Schwingen des Rückens setzt Losgelassenheit voraus. Schub- und Tragkraft können nur entwickelt werden, wenn das Pferd bereit zur Mitarbeit loslässt und seine Muskulatur entsprechend einsetzt. Verspannte Muskeln können niemals maximal Effektivität erreichen. Dann können die Lektionen gut gelingen und erhalten auch jeden geschmeidigen Ausdruck, der die hohen Noten bei allen Richtern nur so purzeln lässt. Eine im Gegenteil erzwungene, festgehaltene Vorstellung wirkt immer mühsam und unschön. Das kann jeder Zuschauer, egal ob er Ahnung von der Dressur hat oder nicht, unterscheiden. Die Losgelassenheit wirkt sich auf die gesamte Ausbildungsskala aus. Der Takt des Pferdes in alles Grundgangarten wird unmittelbar von Verspannungen beeinträchtigt: im Schritt neigt spannige Pferde zum Zacken und passartigen Verschiebungen des korrekten Viertaktes, im Trab zu ungleichem Unterfußen in der Hinterhand, meist zuerst in Wendungen und Verstärkungen sichtbar sowie Schwebetritte und im Galopp festgehaltene kurze Sprünge mit hoher Kruppe und ohne Bodengewinn. Die Verbesserung oder Korrektur dieser Beeinträchtigungen im Takt kann auf Dauer nur durch die Verbesserung der Losgelassenheit erfolgen.
Eine feine Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul ergibt sich aus einem schwingenden Pferderücken und der Dehnungsbereitschaft des Pferdes ans Gebiss sowie Kautätigkeit und damit Losgelassenheit im Zungen- und Genickbereich. Die Schwungentfaltung, Grundschwung im Trab und Galopp und in den Verstärkungen, die leider oft in strampelnden, eiligen Tritten und Sprüngen praktiziert wird, gewinnt an Elastizität und Ausdruck durch das Durchschwingen der Hinterhand und Weiterleiten dieses Schubs bis in den Schulterbereich. Durch das vermehrte Untertreten entsteht Schulterfreiheit, die es dem Pferd erlaubt raumgreifende Bewegungen zu zeigen und den Reiter gut sitzen lässt. Natürlich wird auch bei einem losgelassenen Pferd mehr positive Körperspannung aufgebaut, um den Schwung nach vorne zu erhalten, dies jedoch bei losgelassener Muskulatur und unmittelbar darauf folgendem erneutem Abspannen. So sind auch Dressurprüfungen aufgebaut, schwungvolles Vorwärts im Wechsel mit rahmenerweiterten und dehnenden Abschnitten wie den Mittel- und Starken Schritt und Zügel aus der Hand kauen lassen. So sollte auch das Training aufgebaut sein um die Zufriedenheit des Pferdes bei der Mitarbeit sicherzustellen. Dies wird sich vielfach auszahlen. Eine dauerhafte Geraderichtung, wobei Vor- und Hinterhand hufschlagdeckend gerade fußen, kann nur vom losgelassen Pferd sicher erlernt werden. In der Biegung muss die Muskulatur im Schulter-, Rumpf- und Hüftbereich loslassen um den gebogenen Linien folgen zu können.
Wie erreicht man nun Losgelassenheit? Bei der Ausbildung der Remonte ist sie das erklärte Ziel der Trainingseinheit. Das Pferd soll in die Losgelassenheit finden. Hierzu gehört, dass es dem Reiter Vertrauen schenkt und sich von ihm reiten und dirigieren lässt. Was bei einem unerfahrenen jungen Pferd einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Es muss seine erste Anspannung nach dem Anreiten ablegen und merken, dass ihm nichts passiert und es bei richtiger Reaktion auf die geduldig formenden Reiterhilfen stets durch Nachgeben und Pausen belohnt wird. Dies gibt ihm ein Grundvertrauen, auf dem man die weitere Ausbildung aufbauen kann. Auch äußere Einflüsse wie Unruhe in der Reitbahn usw. können die Losgelassenheit des Pferdes ins Gegenteil, in Anspannung, versetzen. Auch hier gilt es durch Ruhe und Geduld das Vertrauen zu erlangen und zu festigen.
Äußere Anzeichen für die Losgelassenheit sind ein entspannter Gesichtsausdruck, keine rollenden Augen, bei denen man das Weiße sehen kann, sowie Ohrenspiel, wobei sich die Ohren immer wieder aufmerksam und aufgestellt Richtung Reiter richten. Das Maul kaut ohne Aufsperren zufrieden und nicht übertrieben auf dem Gebiss. Leichter weißer Schaum bildet sich, wobei dieser auch bei Anspannung entstehen kann, also alleine noch kein ausreichender Hinweis ist. Der Rücken schwingt gleichmäßig und federnd auf und ab, ersichtlich von unten an der sich gleichmäßig wechselseitig hebenden Kruppe und einem getragenem, pendelndem Schweif. Junge Pferde brauchen oft etwas bis sie genügend ausbalanciert sind und ihren Schweif locker tragen können. Und eigentlich spürt man es als aufmerksamer und elastisch auf die Bewegung eingehender Reiter, wenn sich das Pferd entspannt und dann meist tief abschnaubt. Man kommt zum Sitzen und Treiben, das Pferd läuft nicht unter dem Reiter davon und bleibt willig vor dem Reiter.
Als Hilfsmittel zur Erlangung der Losgelassenheit können Stangen, Cavalettis oder das Ablongieren eingesetzt werden, was das Pferd gerne annimmt. Unter dem Sattel wird darauf geachtet, die Bewegungen des Pferdes taktmäßig, nicht übereilt, sondern schwingend über den Rücken zu formen. Es soll sich willig in die Anlehnung dehnen. Dehnungsbereitschaft, das Suchen ans Gebiss heran und damit in getragener Halsdehnung, soll bei stetiger Maultätigkeit erreicht werden. Die Selbsthaltung des Pferdes, sich selbst entweder abwärts gedehnt oder später in Aufrichtung in der Halsung zu tragen und nicht auf die Reiterhand zu stützen, muss erarbeitet werden. Selbsthaltung und Dehnungsbereitschaft sind wichtige Bausteine in der Ausbildung. Das Pferd sollte jederzeit hinter dem nachgebenden Zügel her nach vorwärts-abwärts ans Gebiss heran suchen. Auch in höchster Versammlung und Aufrichtung sollte des Leichterwerden der Reiterhand stets mit einem zufriedenen Fallenlassen in der Halsung beantwortet werden. Wenige Zentimeter reichen hier aus um genügend Rahmenerweiterung in der Halsung und eine getragene, im Laufe des Trainings immer ausdrucksvoller werdende Halsmuskulatur mit flachem Ganaschenbereich zu erhalten. In Traversalen beispielsweise ist die Selbsthaltung und Balance des Pferdes bei genügend Rahmen in der Halsung der Garant für taktmäßige Tritte und gute Schulterfreiheit für ausdrucksvolles Kreuzen der Beine. Engmachen und Festhalten lassen diese Lektion immer gezwungen und mühsam wirken.
Der Sitz des Reiters ist ein wichtiger Bestandteil zum Erreichen der Losgelassenheit. Er muss unabhängig und elastisch auf den Gesäßknochen zum Sitzen und Mitschwingen in der Mittelpositur kommen. Die Zügelführung und Handhaltung muss unabhängig vom Sitz bleiben. Weder das Pferd stützt sich auf den Zügel noch der Reiter hält sich am Zügel fest, sondern folgt elastisch aus dem Handgelenk den Bewegungen. Generell ist auch das Loslassen des Reiters sowohl im Sitz durch Elastizität in der Mittelpositur und den Armen als auch das mentale Loslassen und entspannen wichtig. Ein ständig mit Druck einwirkender und fordernder Reiter stresst das Pferd und lässt es nicht entspannen. Pferde sind sehr sensibel auf Anspannung ihres Reiters oder generell im Umgang mit dem Menschen. Pausen in Dehnungshaltung und das richtige Dosieren im Training sowie Loben sind wichtig. Eine Lektion, die zigmal mit immer mehr Druck wiederholt wird, weil sie nicht klappt, löst beim Pferd eher Abneigung und beim nächsten Mal Verspannen bereits bei Beginn dieser Lektion aus als dass Lern- oder Trainingserfolge verbucht werden können. Hier ist stets die Basis zu verbessern, beispielsweise die Galoppade oder Übergänge bevor man einen erneuten Versuch startet. Auch die Aufspaltung der Lektion in Einzelteile, die vom Pferd bereits gut ausgeführt werden können sind sinnvoll. Das Pferd muss langsam aufgebaut und in seinem Selbstvertrauen gestärkt werden, damit es zu dem ausdrucksvollen Sportler heranwachsen kann, den wir uns alle wünschen. Der Reiter muss hierzu selbst immer wieder in eine entspannte, geduldige und losgelassene Haltung finden, in seinem Kopf und in seinem Sitz. Auf längere Zeit gesehen gibt das keinen „Zeitverlust“ in der Ausbildung, denn wenn die Basis passt, lernt das Pferd viel leichter und schneller. Oft kann man gravierende Fehler sehr ehrgeiziger Reiter am Abreiteplatz beobachten, die ihr Pferd bereits vor der Prüfung verunsichern und das sichere Gelingen von Problemlektionen in der Prüfung unmöglich machen. Wahrscheinlich geht es zu Hause nicht harmonischer zu. Der richtige Einsatz des Pferdes entsprechend seiner momentanen Möglichkeiten ohne Überforderung gehört ebenfalls zur Erhaltung der Losgelassenheit des Reitpferdes, egal ob Turniereinsatz oder anderer Einsatz als Reitpferd.
Es sollte stets darauf geachtet werden, dass Tempi und Lektionen vom Pferd mit Leichtigkeit erfüllt werden und der Reiter immer dezentere und feinere Hilfen geben kann. Dies allein ist schon ein Lernziel der Grundausbildung. Oft hat man in Deutschland das Gefühl, gutes Reiten ist nur was wert, wenn man sich besonders körperlich anstrengt. Den Reitern steht der Schweiß auf der Stirn, die drücken, klemmen und ziehen nach Leibeskräften. Da ich schon sehr früh auch andere Reitweisen kennenlernen durfte, weiß ist, dass dort – beispielsweise beim Westernreiten oder in den iberischen Reitweisen – die selbstständige Mitarbeit des Pferdes und damit das immer weniger Einwirken des Reiters im Mittelpunkt der Ausbildung des Pferdes stehen. Oft wechseln Reiter die Sparte zu diesen Reitweisen, weil sie leichtrittigere Pferde mit weniger anstrengender Einwirkung bevorzugen. Aber ist das schlechter? Nein, im Gegenteil, das sollte auch das Ziel der klassischen Dressur- und Turnierreiterei sein. Um so mehr der Reiter darauf achtet, dass sein Pferd wirklich leicht an den Zügeln steht, die Anlehnung ständig sucht und kaum Muskelkraft in den Schenkeln sondern nur weiches Mitschwingen in der Bewegung für seine Vorwärtsaktion benötigt, um so schöner und ausdrucksvoller wird es sich bewegen. Die Durchlässigkeit auf die Hilfen steht im Vordergrund. Durchlässigkeit ist sowohl für das Annehmen der abfangenden halben Paraden bei gutem Vorwärtsdrang als auch für das Annehmen der vortreibenden Hilfen bei eher verhaltenen Pferden wichtig. Das Erlernen von schweren Lektionen in jeder Reitweise ist mit entsprechender Durchlässigkeit leichter oder überhaupt erst möglich. Die Balance und das Aufnehmen der Last in der Hinterhand bei relativ getragener Aufrichtung fällt dem Pferd im Laufe der korrekten Ausbildung immer leichter. Es bewegt sich eleganter und mit mehr Fleiß in der Hinterhand. Dies wird in der Dressurprüfung honoriert und macht ein Reitpferd in der Freizeit gut rittig und zufrieden mit sich und seinem Reiter.