/ by /   Dressurreiten / 0 comments

Sattelkunde aus dem Buch „Über den Rücken“

Der Sattel stellt die Verbindung zwischen Reiter und Pferderücken dar. Viele Rückenverspannungen und Gliedmaßenlahmheiten rühren von einem unpassenden Sattel. Ebenso haben Widersetzlichkeiten, Unrittigkeit sowie Anlehnungsprobleme oft ihre Ursache in einem zwar oberflächlich passenden Sattel, der jedoch in der Bewegung dem Pferdrücken nicht genügend Freiraum gibt. Ein drückender Sattel unterbindet die gleichmäßige Durchblutung der Rückenmuskulatur, was wiederum Muskelblockaden nach sich zieht.

Welche Art Sattel aufgelegt wird, ist für Ihr Pferd gleichgültig, wichtig ist nur, dass der Sattel optimal angepasst wird. Und dies nicht nur im Stehen, sondern auch in der Bewegung. Die Kammerweite muss groß genug gewählt werden, um die Schulterfreiheit des Pferdes zu gewähren. Die Auflagefläche muss das Reitergewicht optimal verteilen. In der Praxis wird die Kammerweite oft viel zu eng gewählt. Dies hat weitreichende Folgen: Der Trapecius Muskel an der Schulter wird erhöhtem Druck ausgesetzt. Dies verursacht Muskelschwund am Widerrist, der durch dellenartige Vertiefungen am Widerrist erkennbar wird. In Folge kann der Sattel nicht mehr über die Schulter gleiten. Die Schulter ist deshalb nicht mehr in der Lage frei zu agieren. Auch das Muskelwachstum an der Halsung kann  eingeschränkt werden. In Folge dessen verändert sich der Winkel zwischen Widerrist und Mittelhand und damit die Druckverhältnisse. Das Sattelende liegt mit vermehrtem Druck auf der Rückenmuskulatur. Verschiedene Studien hierüber bestätigen die gravierend negativen Auswirkungen auf die Rückenmuskulatur aufgrund ungünstiger Druckverteilung des Reitergewichtes.

Eine Studie hierzu wurde 2005 von der Universität Zürich veröffentlicht. Hier wurde zum erstenmal ein neuartiges Messverfahren verwendet. Es konnten Druckmessungen während des Reitens erfolgen und per Funk an einen Rechner weitergeleitet werden. Mit Hilfe von Farbveränderungen konnte man die Druckverhältnisse während der verschiedenen Gangarten am Bildschirm kenntlich machen und sehen, dass durch ein Absinken des hinteren Sattelpolsters das Reitergewicht diesen Bereich sehr  stark belastet und dauerhafte Schäden verursacht.

Eindellungen in der Sattellage lassen stets auf einen unpassenden Sattel schließen

Wie kann man erkennen, ob der Sattel passt?

Sie können selbst grob überprüfen, ob Ihr Sattel auf Ihr Pferd passt. Auch wenn er vor längerer Zeit von einem Sattlermeister angepasst wurde ist das noch nicht die Garantie dafür, dass dieser Zustand dauerhaft ist. Leider wird es sehr oft versäumt, einen ursprünglich passenden Sattel ein Mal jährlich von einem guten Sattler überprüfen zu lassen. Die Muskulatur des Pferdes verändert sich ständig. Entweder wird es kräftiger und  muskulöser oder bei Krankheit und Älterwerden schwächer und weniger bemuskelt. Gerade bei sehr jungen Pferden bedarf es des ständigen Nachkorrigierens. Aber auch bei muskulär gleich bleibenden Pferden verschiebt sich die Polsterung des Sattels durch das Reiten und sollte immer wieder nachgepolstert werden. Sie können auch selbst einen Check durchführen: Drehen Sie den Sattel um und fahren Sie mit der flachen Hand langsam über die Polsterung. Können Sie Knubbel und Dellen erfühlen, muss Ihr Sattel überarbeitet werden. Die Oberfläche sollte völlig plan und gleichmäßig sein. Auch die Form der Polsterung muss bei einem normalen symmetrischen Pferd gleichmäßig sein. Der Sattelbaum kann durch Herunterfallen oder auch während des Reitens beschädigt werden. Auch dies sollten Sie stets überprüfen. Der Bruch des Sattelbaumes kann sich durch Faltenbildung in der Sitzfläche zeigen.

Knubbel und weiße Haare in der Sattellage sollten zur Überprüfung des Sattels führen

Ein unpassender Sattel liegt nicht mehr im Schwerpunkt und rutscht zu weit nach vorne oder hinten. Deshalb behindert er das Pferd an der Schulter oder drückt auf den Lendenbereich. Anfangs resultieren hieraus nur kleine Probleme, die sich aber bei Nichtbeachtung zu einem kaum vorstellbaren gesundheitlichen Problem für Ihr Pferd ausweiten. Ein vorne zu tief gearbeiteter Sattel lässt den Reiter leicht in den Spaltsitz rutschen. Ein hinten zu tief liegender Sattel dagegen unterstützt den Stuhlsitz. Auch hieraus können Sie eine Einschätzung der Sattelpassfähigkeit ableiten.

Meist können Korrekturen am Sattel vor Ort von Ihrem Sattler vorgenommen werden oder einfach innerhalb von wenigen Tagen in der Sattlerei. Dennoch sollten Sie selbst grundsätzliche Kenntnisse von der Sattelpassform haben um überprüfen zu können, ob der veränderte Sattel nun richtig auf Ihrem Pferd zu liegen kommt. Leider sind nicht alle Sattler versiert genug einen Sattel nicht nur eben auf den Rücken anzupassen, sondern auch den Reiter darauf und die Bewegung des Pferdes miteinzukalkulieren. Auch beim Kauf eines neuen Sattels helfen Ihnen Ihre Kenntnisse um teure und sinnlose Investitionen zu vermeiden, denn auch hier wird leider sehr viel Unwesen getrieben. Ein Sattel, der nicht am Pferd ausprobiert wird, sondern eventuell im Internet gesteigert wird, sollte für Ihr Pferd nicht in Frage kommen.

Wie kann man nun die Passform überprüfen: Am einfachsten ist es, das Pferd mit dem Sattel ohne Unterlage zu reiten. Das Pferd sollte so lange gearbeitet werden bis es anfängt leicht zu schwitzen. Nun steigt der Reiter ab und hebt den Sattel herunter. Achtung: nicht herunterziehen sondern heben! Jetzt kann man die Auflagefläche des Sattels begutachten. Ist die Auflagefläche überall gleich feucht, liegt der Sattel optimal. Gibt es unterschiedlich feuchte Stellen liegt auch der Sattel unterschiedlich auf. Dort wo die Stellen feuchter sind, liegt der Sattel vermehrt auf, auf den trockeneren Stellen liegt der Sattel weniger auf. Dies kann allerdings nur als Anhaltspunkt angesehen werden.

Weiter können Sie die richtige Kammerweite überprüfen. Sie prüfen diese ohne Satteldecke bei angezogenem Gurt. Zwischen der Kammer und dem Widerrist des Pferdes sollten 3 bis 4 Finger Platz haben. Liegt die Kammer dichter am Widerrist müssen Sie dringend überprüfen, ob die Kammer während des Reitens den Widerrist  berührt. Dies sollten Sie auch im Trab oder Galopp erfühlen. Wurde die Kammer zu weit gewählt, liegt der Sattel am Widerrist auf. Andererseits kann die Kammer des Sattels auch zu eng sein. Zwar ist genügend Platz zwischen Widerrist und Sattel, aber dann drücken die Ortsspitzen des Sattelbaumes auf die Schulter des Pferdes. Prüfen Sie Ihren Sattel wieder ohne Decke angegurtet auf seine waagrechte Lage auf dem Pferderücken. Ein zu enger Sattel liegt meist hinten zu tief. Der tiefste Punkt der Sattellage sollte in der Mitte der Sitzfläche liegen. Sie können den tiefsten Punkt ermitteln, indem Sie eine Kugel oder einen runden Stift in der Sattelfläche rollen lassen.

Obwohl es den Anschein eines passenden Sattels erweckt, kommt dieser im hinteren Bereich zu tief, was zu Muskelverklebungen führen kann

Betrachten Sie als nächstes den aufgelegten Sattel von hinten. Die Wirbelsäule sollte völlig frei liegen und an keiner Stelle vom Sattel berührt werden. Dies muss auch beim Reiten auf gebogenen Linien der Fall sein. Gleichzeitig können Sie die Gleichmäßigkeit und Auflage der Sattelpolster prüfen. Beide sollen gleichmäßig plan auf dem Rücken aufliegen und weich gepolstert sein.

Kommt der Sattel im Bereich des hinteren Sattelkranzes zu tief (der Reiter hat dabei ein eher positives Bergaufgefühl), wird der partielle Druck auf die Rückenmuskulatur zu groß. Abgewetzte Stellen im Haarkleid sind ein Alarmsignal hierfür. Ebenso wie Knötchen in der Sattellage, die meist auf eine Talgdrüsenverstopfung hinweisen. Diese entsteht jedoch in erster Linie durch einen unpassenden und vor allem ungleich gepolsterten Sattel. Die Knötchen sollten von einem Physiotherapeuten behandelt werden. Vor allem muss aber die Ursache, der unpassende Sattel, überprüft werden.

Das vorübergehende Unterlegen von zusätzlichen Polsterungen muss genauestens überprüft werden, da sich die Balance des Sattels verändert

SHARE THIS